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Christine Liphilt von Thalmar

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Christine Liphilt von Thalmar

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Die Anrufung des weißen Sterns

Thalmeran. Die Straßen der größten Stadt des Kontinents war mit Menschen gefüllt. Dicht an dicht standen sie und versuchten einen Blick auf das Kernstück der großen Prozession zu erhaschen. Vorbei am Platz des weißen Sterns und der Kathedrale, welche aus dem gleichen weißen Stein bestand wie der königliche Palast selbst, wurde sie geführt. Entlang der großen Theater der Stadt, in welchen sie so gerne die kalten Winterabende verbracht hatte. Vor ihr ragte der Turm der weißen Akademie auf. Dort hatte sie studiert, weitaus länger und auch erfolgreicher, wie sie gerne anmerkte, als ihr Bruder. Er hatte andere Pflichten gehabt. Das Reich führen und beschützen. Im Sinne des Sterns, wie alles geschehen sollte. Er ritt zu ihrer Linken. Ein großgewachsener Mann mit kurzem schwarzen Haar, gekleidet in die feinsten Tücher des Königreichs und mit seiner zeremoniellen Rüstung geziert. Er hatte eine Hand zum Gruß an das Volk erhoben, den Blick entschlossen geradeaus gerichtet. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er gerade dachte. Lediglich die stille Konzentration und Entschlossenheit wurden ihr offenbart. Sie beide hatten ein Opfer zu erbringen, doch er würde von diesem Tag nicht zurückkehren. Zumindest nicht als der Selbe. Doch war das bei ihr anders? Seit Jahren hatte sie diesen Tag gefürchtet. Es fühlte sich wie Verrat an.

Die Prozession kam zu einem Halt und Alaarus Caspar von Thalmar und Christine Liphilt von Thalmar stiegen von ihren Rössern ab. Bedienstete übernahmen die Zügel und das Geschwisterpaar schritt über einem seidenen weißen Teppich, der zuvor für sie ausgerollt worden war, auf die Mitte des Platzes zu. Dort war ein großer Zirkel auf weißem Stein errichtet worden. 16 der fähigsten Magier der Akademie und weitere 16 des erlesensten Klerus des weißen Sterns standen bereits um den Zirkel und warteten auf ihren König und die Hohe Erwählte, seine Schwester.

Christine schritt in die Mitte des Zirkels und sah sich um. In den Gesichtern und Seelen der 32 Magier und Priester waren unterschiedlichste Emotionen zu sehen. Nervosität, Entschlossenheit, Furcht, Neugier, Ergebenheit und Freude wechselten sich ab. Jeder von ihnen würde seinen Teil leisten. Doch im Endeffekt lag es an ihr. Ihr Blick blieb auf dem Erzmagier, Friedrich Vredman, liegen. Einst war er ihr Lehrer gewesen. Heute würde sie ihn anleiten. Als er ihren Blick bemerkte nickte er ihr kurz zu und der Kreis wurde geschlossen.

Sie wandte sich zu ihrem Bruder. Seine Augen waren geschlossen. Er wusste was ihn erwartete. Letzte Nacht war ihr letztes richtiges Gespräch gewesen. Heute Morgen hatte er von seiner Frau und seinem Sohn Abschied genommen. Beide würden das kommende von der Spitze des Palasts aus beobachten. Sie ging auf ihn zu. Er schlug die Augen auf und in seinem Blick sah sie neben der harten Entschlossenheit einen Funken. Es war Mitleid und Schmerz. Ohne zu warten umarmte sie ihn. Seine Rüstung machte die Umarmung alles andere als bequem, doch dies war das letzte Mal, dass sie ihren Bruder sehen sollte. Sie wusste nicht wie lange sie so verharrten, doch schließlich löste er sich von ihr und Schritt in das Zentrum des Zirkels, der mit sechs weißen Kristallen, voll mit magischer Kraft, gekennzeichnet war.

Er sah sie an, lächelte und fragte: "Bereit?".

"Ja", Christine ging in Position. "Es wird nicht wehtun. Er hat mir versichert, dass du nichts davon merken wirst.", sie drehte sich zu ihrem Bruder: "Ich weiß. Was du heute tust wird ein neues Zeitalter begründen und ich bin froh ihm als Grundstein zu dienen." Er machte eine kurze Pause, dann rief er, so dass ihn alle hören konnten mit erhobener Faust zum Himmel: "Wir sind sein Schwert. Das Schild der Welten!". Die Menge um sie herum, welche zuvor verstummt war, antwortete mit einer Stimme: "Mögen seine Feinde in unserem Licht erzittern!".

"Tu es."

Sie begann zu weben. Pures Licht. Sie zog es aus den Kristallen, dem Zirkel um sich herum, der versammelten Menge und sicht selbst. Sie sammelte alles was sie konnte und die Linien des Zirkels leuchteten so hell, dass das Tageslicht wie die Nacht selbst wirkte. In diesem Moment spürte sie alles. Trauer, Schmerz, Freude auf Kommendes und von Vergangenem, Liebe, Pflicht und Erfüllung. Das Licht begann sich um sie herum zu manifestieren und sie lenkte es in sechs Säulen, jede auf einem der Kristalle zentriert. Die Säulen wuchsen in den Himmel bis man ihr Ende nicht mehr sah. Dann verschmolzen sie zu einer. Bevor das gleißende Licht ihn verschluckte erhaschte Christine einen letzten Blick auf ihren Bruder. Er lächelte sie an und war verschwunden. Verschluckt von weißem Licht. Von seinem Licht.

Etwas neues trat in ihr Bewusstsein. Etwas fremdes. Es war so vertraut. Als hätte sie niemals etwas anderes gekannt. Es umhüllte sie. Erfüllte sie. Riss an ihr und gab ihr Stabilität. Wunderschön. Das war das einzige Wort, das sie kannte um es zu beschreiben.

Nach über einer Stunde des Wartens und Bangens, des Staunens und der Ehrfurcht, verebbte der Strom aus Licht in Thalmeran. Die Magie schwand und der Zirkel brach.

Christine sackte zusammen. Es war vollbracht. Alles war nötig gewesen. Der einfachste Zauber, und wenn ihr Leben davon abhinge, sie könnte ihn nicht wirken. Endlich sah sie auf. Zuerst mussten sich ihre Augen an die ungewöhnliche Dunkelheit gewöhnen, doch noch bevor sie den Turm der Akademie, die Mitglieder des Zirkels oder die Massen an Menschen sehen konnte, sah sie ihn. Und sie lächelte.

So geschah es, dass der Wächter des weißen Sterns Kamrit betrat. Sein kommen sollte ein neues Zeitalter mit sich bringen und die Ebenen für immer verändern.

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